Bevor sie Euch töten by Giuseppe Fava

Bevor sie Euch töten by Giuseppe Fava

Autor:Giuseppe Fava
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: 2. Weltkrieg, Banditen, Italien, Mafia, Partisanen, Sizilien
Herausgeber: Unionsverlag


Die schwarze Sonne

Nach jenem Sonntag kehrte Michele nicht wieder ins Dorf zurück, da die Carabinieri fortgesetzt Patrouillen ausschickten. In ihre grünen Mäntel gehüllt, den Schal bis zu den Augen hochgezogen, die Maschinenpistole am Sattel, so ritten sie die Feldwege und Weidetrassen entlang und durchsuchten jede Hütte, jede Scheune und jedes Gehöft. Die Flussufer suchten sie ab und kletterten am Hang zwischen den Felsen herum.

Lorenzo Giliberto beobachtete sie durch sein Fernglas.

»Wie die Ameisen«, sagte er. Sein Kopf hatte Ähnlichkeit mit einem Totenschädel, an dem schon die Hunde genagt haben. Die Kälte hatte seine Haut rot und blau gefleckt, und seine Lippen waren aufgesprungen, denn auf dem Berg war es noch winterlich. In den Mulden, wo die Mittagssonne nicht hinkam, lag der letzte Schnee, und morgens waren die Felsen vereist.

»Sie sind mit zwanzig Mann unterwegs«, sagte er. »Sie können einem leid tun. Egal ob es regnet oder schneit, sie müssen immer reiten.«

Antonio, der neben ihm hockte, gab ihm einen Tritt und spuckte den Berg hinunter.

»Diese Dreckskerle können meinetwegen verrecken. Ehrlose Hurensöhne!«

Der Alte lachte und rieb sich mit dem Handrücken über die Bartstoppeln.

»Hast du Angst vor den Carabinieri?« fragte er.

»Du dummes Stück Scheiße!« sagte Antonio Malacarne. »Du bist genauso ein Stück Scheiße wie die da unten!«

Wieder lachte der Alte und zwinkerte verschlagen.

»Wenn sie dich kriegen, brechen sie dir sämtliche Knochen«, stichelte er.

Antonio versetzte ihm einen Hieb, und der Alte verkroch sich mit gespielter Ängstlichkeit unter der Wolldecke. Nur die Äugelchen schauten hervor. Er hüstelte und grinste listig.

»Einmal haben sie mich verhaftet, diese Schweinehunde«, sagte Antonio. »Erst ließen sie mich vierundzwanzig Stunden lang in einer Einzelzelle fast verhungern und verdursten. Dann holten sie mich, zogen mich splitternackt aus und banden mich auf einem Stuhl fest. Mit gespreizten Beinen musste ich sitzen, die Hände hinter der Stuhllehne gefesselt. Einer von ihnen sagte: ›Schaut euch an, was dieses Vieh für einen Knüppel zwischen den Beinen hat!‹ Ich habe mich hochgestemmt, damit er ihn besser sehen konnte, und gesagt: ›Deine Schwester hätte ihren Spaß daran!‹ Der Hurensohn gab mir einen solchen Tritt in die Eier, dass ich mit dem Stuhl umfiel. Dann richteten sie mich wieder auf, und der Brigadiere meinte: ›So, jetzt erzähl uns mal, wer Vincenzo Gallo ermordet hat, wer deine Komplizen sind und was du sonst noch weißt. Dann kriegst du von mir ein Stück Pferdefleisch zu essen. Ich gebe dir einen Liter Wasser zu trinken und noch eine Schachtel Zigaretten dazu.‹ Ich war auf demselben Feudo beschäftigt wie Gallo, aber ich wusste nicht mehr als andere. Also haben sie mit Fäusten auf mich eingeschlagen. Der eine hielt mich bei den Haaren, der andere drosch auf mich ein, und der Brigadiere schaute zu und schrie: ›Willst du Wasser? Willst du Pferdefleisch? Nachher eine Zudecke und drei Tage lang schlafen? Aber zuerst musst du auspacken!‹«

Lorenzo Giliberto hörte aufmerksam zu, obwohl er die Geschichte schon ein dutzend Mal gehört hatte, und seine Augen blickten traurig.

»Diese Dreckskerle!«, flüsterte er.

Antonio nickte beifällig.

»Zum Schluss schlugen sie mich mit einem nassen Strick«, fuhr er fort. »Ich versuchte, die Beine zusammenzudrücken, aber sie schlugen von unten nach oben und zerfetzten mir alles.



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